Katrin Raabe
Webdesign & Fotografie

natuerliche bilder versus bildbearbeitungIn Sozialen Medien oder Diskussionsforen gibt es immer wieder Diskussionen rund um das Thema Bildbearbeitung.
Neben den Menschen, die Bildbearbeitung mögen, gibt es auch viele, die sie ablehnen.

In einer Diskussion, die ich kürzlich verfolgte, wurde ein User für seine Bildbearbeitung regelrecht angegangen.
Beispielsweise wurde ihm "Manipulation für ein paar Klicks" vorgeworfen.
Ein anderer User sprach sich vehement für "natürliche" Bilder aus und fand, dass man schlechte Bilder akzeptieren müsse.

Als Fotografin sehe ich das alles ein bisschen anders ... :-)

"Natürliche Fotos" - gibt es die überhaupt?

Kleine Geschichte der Bildbearbeitung

Das Thema Bildbearbeitung ist so alt wie die Fotografie selbst. Und die Fotografie ist alt, viel älter als man denkt.
(Das vermutlich älteste Foto der Welt wurde 1826 von Nicéphore Niépce aufgenommen.)

Der Architektur-Fotograf Édouard Baldus (1813-1893) beispielsweise arbeitete mit einer Montagetechnik, um seine Fotografien möglichst wirklichkeitsgenau erscheinen zu lassen. Für das Foto "Cloister of Saint Trophime" fügte er zehn Einzelbilder mit unterschiedlichen Schärfeebenen zusammen. Für andere Werke nutzte er Retusche-Techniken, fügte Wolken ein, kombinierte helle und dunkle Bilder (heute nennt man diese Technik "HDR-Fotografie") oder entfernte störende Elemente im Bild.

Wer in analogen Zeiten einmal in der Dunkelkammer gearbeitet hat, weiß, dass viele Techniken der heutigen Bildbearbeitung schon damals angewendet wurden.

Schon bei der Entwicklung eines Filmes konnte man über die Chemikalien einen Farblook erzielen.
Bei der "Cross-Entwicklung" wurden gezielt falsche Chemikalien angewendet, die zu Farbverschiebungen führten.

Die Darstellung von Grautönen und Kontrast konnte man über die Auswahl des Fotopapiers steuern:
Wollte man kontrastreichere Fotos entwickeln, wählte man ein "hartes" Fotopapier.
Bevorzugte man mehr Grautöne, wählte man "weiches" Fotopapier, mit dem die Bilder aber deutlich flauer aussahen.

Auch das gezielte Aufhellen oder Abdunkeln von Bildbereichen ist keinesfalls eine Erfindung moderner Bildbearbeitungsprogramme.
In der Dunkelkammer arbeitete man mit kleinen Pappschablonen, mit denen man beim Belichten des Fotos über das Bild "wedelte", um diese Bildbereiche weniger zu belichten und damit heller zu lassen. Heute benutzen wir dafür das Photoshopwerkzeug "Abwedler".

Wo ziehen wir die Grenze zwischen "natürlichen" und "künstlichen" Fotos?

Als nächstes müssen wir uns fragen, wo "Natürlichkeit" aufhört und "Kunst" oder "Manipulation" anfängt.

Natürlich ist es erstrebenswert, von Anfang an möglichst gut zu fotografieren.
Es ergibt wenig Sinn, Fotos schlecht zu belichten, um sie später wieder aufzuhellen oder abzudunkeln.

Stattdessen versuchen wir von Anfang an ein gutes und  ausgewogens Foto aufzunehmen.

Neben der korrekten Belichtung können wir dafür natürlich auch Hilfsmittel verwenden.
Mit Lampen, Blitzlicht oder Reflektoren können wir zum Beispiel bestimmte Bildbereiche aufhellen.

Das gleiche gilt für Softboxen u.ä. Equipment, mit dem wir Menschen möglichst vorteilhaft fotografieren können.

Anders als bei der Bildbearbeitung würde hier aber niemand von "Manipulation" sprechen.

Diese würde vielleicht beim Einsatz von Farbfiltern beginnen, mit denen wir Farben schon bei der Aufnahme beeinflussen können.
In der analogen Porträtfotografie wurden zum Beispiel Rotfilter eingesetzt, die in Kombination mit einem Schwarzweißfilm ein besonders schönes, gleichmäßiges Hautbild erzeugten.

Aber auch in der Digitalfotografie kommen Filter zum Einsatz:

Es gibt beispielsweise Grauverlaufsfilter, die auf das Objektiv geschraubt werden und das Bild partiell abdunkeln.
Diese Filter werden eingesetzt, um einen hellen Himmel und einen dunklen Vordergrund möglichst gut zu belichten.
Da Kameras bei Gegenlichtsituationen an ihre Grenzen kommen, helfen sie uns, ein Foto zu schießen, das ungefähr dem Bild entspricht, das wir real sehen.

Umgekehrt können wir durch einfache Belichtungstechniken Effekte erzielen, die wir mit dem Auge gerade nicht sehen.
Durch Langzeitbelichtungen können wir beispielsweise Lichtspuren von Autos oder Sternen abbilden oder fließendes Wasser besonders weich darstellen.

Ist das nun künstlich oder natürlich?
Wo ist die Grenze?

Die gleiche Frage kann man sich übrigens auch beim Einsatz von Motivprogrammen stellen, die nicht nur die Kameraeinstellungen bestimmen, sondern die Bilder auch optimieren. In diesem Fall findet die Bildbearbeitung schlichtweg in der Kamera statt.

Sind "natürliche" Fotos schöner?

Selbstverständlich lässt sich diese Frage nicht objektiv beantworten, denn Schönheit liegt bekanntlich im Auge der Betrachtenden.
Letztlich müssen wir selbst wissen, was uns gefällt und was nicht.

Meine persönliches Meinung ist ganz eindeutig:
Ich finde unbearbeitete Fotos selten schöner als bearbeitete Fotos.

Insbesondere Fotos, die im RAW-Format aufgenommen wurden, wirken ohne Bearbeitung flau und konstrastarm und müssen auf jeden Fall "entwickelt" werden.

Wenn ich "natürliche" Bilder mag, muss ich aber selbstverständlich nicht an jedem Regler ziehen!

Tatsächlich kann man Bilder auch "zu Tode bearbeiten" - man denke z.B. an schlechte Postkarten mit übermäßig kitschigen Farben.
Für einen "natürlichen" Look reicht oft eine dezente Korrektur, die das Foto verbessert ohne es zu verfremden.

Manche Fotos werden aber erst durch einen passenden Bildlook interessant.

Bildbearbeitung kann dabei zum Ausdrucksmittel werden und das zeigen, was wir in unserem Foto "sehen".
Dabei ist alles erlaubt, was uns gefällt.

In diesem Zusammenhang möchte ich den  Kunstkritiker Jules-Antoine Castagnary zitieren.
Er schrieb 1874 über die Vertreter des Impressionis­mus:

"Sie sind Impressionisten in dem Sinn, dass sie nicht eine Landschaft wiedergeben, sondern den von ihr hervor­gerufenen Eindruck.“

In diesem Sinne:
Fühlt euch frei, euren ersönlichen Stil zu entwickeln - egal ob mit oder ohne Bildbearbeitung.
Setzt euch aber nicht unnötig unter Druck - das perfekte Foto kommt selten einfach so aus der Kamera.

 

Zum Abschluss noch ein Foto-Beispiel:


Links seht ihr jeweils das Originalbild, das mir gar nicht gefiel, rechts das bearbeitete Bild.
Im unbearbeiteten Bild sehen die Farben flau und ein wenig blaustichig aus, das Bild wirkt insgesamt konstrastarm und eher langweilig.


Nr. 1
Hier seht ihr eine Bearbeitung, die mir gar nicht gefällt. :-)
Ich habe es mal richtig krachen lassen und in jeder Hinsicht übertrieben:
Das Bild ist überschärft und viel zu quietschig.
Die Farben tun schon beinahe in den Augen weh. Durch das Überschärfen weist das Bild deutliche Artefakte auf.

 



Nr. 2

Dazu im Vergleich eine Bearbeitung, die mir sehr gut gefällt, die aber zugegebermaßen extrem künstlich ist.
Ich habe das Bild deutlich abgedunkelt, um den Blick auf Rose und Feder zu lenken.

 



Nr. 3

So könnte eine ausgewogene Bildbearbeitung aussehen, die in etwa dem entspricht, was ich real gesehen habe.
Die Lichtstimmung ist etwas wärmer geworden. Diesen Effekt hätte ich bereits beim Fotografieren mit dem Weißabgleich "Schatten" erzielen können.
Das Bild ist leicht geschärft, hat stärkere Kontraste und eine leichte Vignette.

 

 


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