Katrin Raabe
Webdesign & Fotografie

kongress verschickungsheime: Beine eines Arztes, Teddy in einem alten KofferVom 16. bis 19. November 2023 fand in Bad Salzdetfurth in Nieder­sachsen der Kongress "Aufarbeitung Kinder­verschickung" statt. Ich war als Angehörige und Fotografin dabei.

Zwischen dem Ende des Zweiten Welt­krieges und dem Ende der 80er Jahre wurden mehrere Millionen Kinder im Rahmen der "Gesundheits­fürsorge" in Kinder­kur­kliniken verschickt: Manche Kinder hatten chronische Erkrankungen, manche galten als zu dünn oder zu klein, manche waren völlig gesund.

Eltern und Kindern wurde die Verschickung als Erholungs­aufenthalt in schöner Umgebung angepriesen, noch dazu auf Kosten der Kranken­kassen.

Die vermeintliche Kur führte bei vielen Kindern zu lebenslangen Traumata: Sie erlebten körperliche und seelische Misshandlungen bis hin zu Praktiken, die als Folter anerkannt sind. Kontakt­sperren und Brief­zensur führten zur Isolation der Kinder, mit massiver Einschüchterung erreichte man, dass sich viele Kinder auch nach der Kur niemanden anvertrauen konnten.
Das Weltbild der Täter:innen war von kirchlicher oder NS-Ideologie geprägt. Die Kontinuitäten zur NS-Zeit sind bis heute nicht systematisch erforscht worden.
Mehrere Kinder haben die Kinderkuren nicht überlebt. Zu Verurteilungen kam es dennoch nicht.

Die Sonder­pädagogin Anja Röhl machte das Thema 2009 erstmalig bekannt. Der von ihr gegründete Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinder­verschickung e.V. setzt sich für die Belange der ehemaligen Verschickungs­kinder und Aufarbeitung des damals begangenen Unrechts ein.

Im November 2023 fand der fünfte Kongress des Vereins in Bad Salzdetfurth statt, der von der Filmemacherin Linda Ludwig und mir dokumentiert wurde. Ein Bericht über den Kongress sowie der Film von Linda Ludwig ist hier zu finden.

Die Informationen zu den Referent:innen sind als Bildunterschrift unter den jeweiligen Fotos zu finden. Das Programm kann hier nachgelesen werden. Die einzelnen Vorträge werden hier nach und nach dokumentiert.

Sehr beeindruckt hat mich das Hörspiel "Der Plumpssack geht um" von Silas Degen, in dem die Erlebnisse der damals vierjährigen Sabine Schwemm in Bad Salzdethfurt erzählt werden. Das Hörspiel war am Samstag, den 18.11.2023 als Szenische Lesung zu sehen. Danke an Sabine Schwemm, Michaela Allendorf (Stella - ein Leben) und Hendrik Massute (Tatort) für die eindrückliche Darstellung sowie an das gesamte Team für Akkustik und Musik.

Die Hörspielversion ist hier zu finden.

Auf dem Kongress wurde die Bad Salzdetfurhter Erklärungen mit Forderungen an die Politik verabschiedet. Eine Dokumentation der Erklärung ist hier zu finden.
Ich möchte außerdem auf eine von Anja Röhl gestartete Petition auf Change.org verweisen, die noch unterzeichnet werden kann.

Impressionen des Kongresses

 "Der Plumpssack geht um" von Silas Degen